Am 26. Oktober 2025
Der höchste Kirchturm der Welt ist der Turm des Ulmer Münsters, noch. Denn schon bald wird ein Turm der Kirche Sagrada Familia in Barcelona höher sein. Besonders tragisch: Die Spitze dieses neuen Turms wird von einer Firma aus der Nähe von Ulm gefertigt. Noch ist der Ulmer Münsterturm der höchste, 161,53 Meter. Fast genauso hoch waren zwei Türme ganz in der Nähe, in Sichtweite des Münsters, die beiden Kühltürme des Atomkraftwerks Gundremmingen. Gestern wurden sie gesprengt. Ich habe zugeschaut, wie sie gebaut wurden. 1978 und 1979, da war ich Soldat in der Ulmer Wilhelmsburgkaserne. Vom Fenster meiner Stube aus konnte ich sie sehen, die zwei Türme. Einer war schon fertig. Der andere ist noch gewachsen, von Tag zu Tag. Jetzt sind sie beide einfach weg. Vor Jahren hat die Bundesregierung beschlossen, aus der Atomenergie auszusteigen. Heute kommt unsere Energie aus Sonne und Wind, wenn sie denn scheint, die Sonne, wenn er denn bläst, der Wind. Vor dem Atomausstieg hatte es einen schweren Unfall gegeben, in einem Kernkraftwerk in Fukushima, in Japan, ausgelöst durch ein Erdbeben und einen Tsunami. Radioaktive Stoffe waren ausgetreten, lebensgefährlich für Mensch und Natur. In der Folge bekam Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten, den ersten und bisher einzigen in Deutschland. Er regiert immer noch. Die Atomkraftwerke in unserem Land wurden abgeschaltet, die Kühltürme gesprengt. Was nicht mehr gebraucht wird, das kann entsorgt werden. Von 1984 bis 2013 habe ich an öffentlichen Schulen Religion unterrichtet, von der 2. Klasse Grundschule bis zur Klassenstufe 13 am Gymnasium. Neulich habe ich fast alle meine Unterlagen für den Religionsunterricht entsorgt. Die Bücher und die Materialien, sie waren total veraltet. Damit könnte man heute nicht mehr unterrichten und vermutlich werde ich es auch nicht mehr tun müssen. Was nicht mehr gebraucht wird, das kann entsorgt werden. Das entlastet, das befreit, das schafft Platz für Neues. Mancher überlegt: Gebe ich mein altes Benzin-Auto ab und kaufe mir dafür ein Elektroauto? Oder: Gebe ich mein Auto ab und kaufe mir dafür ein Deutschlandticket? Was nicht mehr gebraucht wird, das kann weg. Das entlastet, das befreit, das schafft Platz für Neues. Das weiß auch der Apostel Paulus. Er wird angegriffen. Er muss sich verteidigen, vor den Hohepriestern, vor dem römischen Statthalter, vor den eigenen Leuten. Niemand hilft ihm. Er schreibt an seinen Schüler Timotheus: Bei meiner ersten Verteidigung ist niemand für mich eingetreten. Alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Das sind schlechte Erinnerungen für Paulus. Er entsorgt sie, die schlechten Erinnerungen. Alle haben mich im Stich gelassen. Möge es ihnen nicht angerechnet werden. Paulus weiß: Wir Menschen können nur leben, wenn wir anderen verzeihen. Wir können nur leben, wenn andere uns verzeihen. Wir können nur leben, weil Gott uns verzeiht. Er tut es ganz sicher. Das ist die gute Nachricht, Evangelium. Gott, sei mir Sünder gnädig. So betet der Zöllner im Evangelium heute. Sein Gebet wird erhört. Er kehrt versöhnt nach Hause zurück. Denkt weiter und vertraut auf das Evangelium. Was nicht mehr gebraucht wird, das kann weg. Das entlastet, das befreit, das schafft Platz für Neues.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner
Bildnachweis
- Das Ulmer Münster - WIKIMEDIA CC BY-SA 3.0
- Die Kühltürme in Gundremmingen - WIKIMEDIA CC BY-SA 3.0
- La Sagrada Familia in Barcelona - WIKIMEDIA CC BY-SA 3.0

