Am 19. Oktober 2025
Neulich bekam das Bundesverfassungsgericht zwei neue Richterinnen und einen neuen Richter. Das klappte aber erst im zweiten Anlauf. Beim ersten Anlauf bekam eine Kandidatin nicht genügend Stimmen im Bundestag, obwohl das anders abgesprochen war. Es wurde viel diskutiert. Schließlich verzichtete die umstrittene Kandidatin von sich aus auf das Amt. Dann wurde neu gewählt und diesmal hat es geklappt. Damit war das Bundesverfassungsgericht, das höchste Gericht in Deutschland, wieder vollzählig besetzt. Wer ist geeignet, Richterin oder Richter am Bundesverfassungsgericht zu sein? Ganz sicher nicht der Richter, von dem heute im Evangelium die Rede ist. Er fürchtet Gott nicht. Er nimmt auf keinen Menschen Rücksicht. Eine Witwe bittet ihn: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Für das eigene Recht eintreten, öffentlich für das eigene Recht kämpfen, das dürfen im alten Israel nur Männer. Eine Frau darf das nicht. Die Frau im Evangelium aber hat keinen Mann. Er ist gestorben. Sie ist Witwe. Umso mehr ist sie auf diesen Richter angewiesen. Sie bittet ihn immer wieder: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher! Und was macht der Richter? Erst mal nichts, lange Zeit nichts. Dann aber sagt er sich: Die Witwe gibt nicht nach. Sie lässt mich nicht in Ruhe. Am Ende kommt sie noch und schlägt mich ins Gesicht. Also helfe ich ihr zu ihrem Recht. Ich helfe ihr nicht, weil sie mir leidtut. Ich helfe ihr nicht, weil das meine Pflicht ist als Richter. Nein. Ich helfe ihr nur, damit sie mich in Ruhe lässt. Sie ist mir einfach lästig. Was für ein Richter! Rücksichtlos, egoistisch, menschenverachtend. Was für eine Geschichte, die Jesus da erzählt! Es ist ein Gleichnis. Jesus will damit sagen: Wenn ihr Sorgen habt, dann sollt ihr allezeit beten, Gott bitten und darin nicht nachlassen, so wie die Witwe. Jesus sagt nicht: Gott ist wie dieser Richter. Nein. Wenn schon dieser rücksichtslose Richter nachgibt und der Frau hilft, um wie viel mehr tut das Gott, wenn ihr ihn bittet. Gott ist nicht rücksichtslos, egoistisch, menschenverachtend. Nein. Er ist menschenfreundlich. Er hilft. Gott erhört Gebete. Haben Sie so etwas schon erfahren? Ich habe es erlebt. Menschen sind krank, schwer krank. Sie werden gesund. In einem besonderen Moment wird gleichsam ein Schalter umgelegt. In diesem Moment wurde gebetet. Gott erhört Gebete. 1989 in der DDR. Menschen gehen auf die Straße. Sie demonstrieren für Freiheit und Demokratie, friedlich, mit Kerzen in den Händen. Vorher gehen sie in die Kirche zum Beten. Gut, dass es sie gibt, die Kirche, einen Ort, an den man hingehen kann, um zu beten, zusammen mit anderen oder allein. Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag. So singen wir in einem nicht mehr ganz so neuen geistlichen Lied. Gott erhört Gebete. Wir sollten ihm das zutrauen. Wir sollten nicht zu eng denken. Denkt weiter und vertraut auf das Evangelium.
Pfarrer Dr. Bernhard Lackner
Bildnachweis
- Wandgrafitti an der Brühlarkade in Leipzig - WIKIMEDIA CC BY-SA 3.0
- Arme Wittwe vor dem Richterstuhl - KI-generiert